

Nicht Rom oder Genf, die Zentren von Katholizismus und Protestantismus, sind der geographische Mittelpunkt des Christentums, sondern die Grabeskirche in Jerusalem, der Ort des Heils: der Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi.

Grabeskirche auf den ersten Blick
Die Schauspielerin Maria Schrader war zu Dreharbeiten in Jerusalem und beschreibt, wie es ihr beim Besuch der Grabeskirche erging: "Als ich sie das erste Mal betrat, war ich überwältigt, mir kamen die Tränen. Religiös oder nicht, man steht auf einmal am Ursprung des Christentums. Mit ihrer Vielzahl an Katakomben, Gewölben, Treppen, Kapellen, reicht ihre Geschichte über 2000 Jahre zurück, hier liegt der Stein, der seit Jahrhunderten der »Nabel der Welt« genannt wird … Zugleich ist die Kirche ein absurder Ort: Jede christliche Fraktion hat dort ihre Ecke und kämpft um Räume, Stühle, einzelne Kacheln. Deshalb ist der Schlüssel zum Eingang auch fest in muslimischer Hand."
Die Grabeskirche mit ihrem Labyrinth von Gängen und Kapellen, einem Gebirge aus Heiligtümern, den goldüberladenen Altären und den Nebelschwaden von Weihrauch erscheint dem Betrachter zunächst fremd und verwirrend. Er fragt sich, was das mit dem christlichen Glauben zu tun haben soll. Manche haben die Kirche als »architektonische Monstrosität« bezeichnet. Man kann sie aber auch als ein "steinernes Buch lesen, in das die Geschichte der christlichen Kirche in Jerusalem eingeschrieben ist" (Teddy Kollek).
Besitzer der Grabeskirche
Mittlerweile machen gar 14 Denominationen ihre Ansprüche auf Teile des Areals geltend, und es gibt fast nichts, worüber sich die Christen in den nahezu 17 Jahrhunderten Geschichte der Grabeskirche nicht gestritten hätten. Die vorrangigen Inhaber von Besitztiteln sind die Griechisch-Orthodoxen, die Armenier und seit den Kreuzzügen die römisch-katholische Kirche.
Der Franziskanerorden, der Überlieferung nach 1219 im Heiligen Land gegründet, als Franz von Assisi hierher wallfahrtete, ist seit jener Zeit stets der wichtigste Repräsentant der katholischen Kirche in Jerusalem gewesen. Die stärkste christliche Kirche in Jerusalem ist die griechisch-orthodoxe, die sich mit den Franziskanern die Kalvarienkapelle, die überlieferte Kreuzigungsstelle Jesu, teilt.
Ihr Übergewicht verdankt sie ihrer langen Ansässigkeit seit Beginn des byzantinischen Reiches und teilweise auch ihrer Bevorzugung gegenüber den Katholiken durch die osmanischen Sultane, die einer starken westlichen Präsenz in Jerusalem misstrauisch gegenüber standen.
Entsprechend leitet der griechisch-orthodoxe Patriarch, der in der Verborgenheit eines Labyrinths von Klöstern und Höfen residiert, seine Nachfolge von den Bischöfen von Jerusalem seit den Zeiten Hadrians ab. Die Kopten und Syrisch-Orthodoxen haben das Recht, Gottesdienste in der Grabeskirche abzuhalten, die auf das Dach der Helena-Kapelle verdrängten Äthiopier halten nur noch Spuren ihrer früheren Rechte.
Symbolische Elemente
Die heutige Kuppel über der Rotunde stammt aus dem Jahr 1870. Im Jahr 1959 begann eine gründliche Innenrenovierung, die bis Ende 1996 dauerte. Nun gehen die Strahlen eines goldenen Sterns von der gläsernen Kuppelmitte aus, die die Auferstehung Christi darstellt. Die Strahlen verkörpern die 12 Apostel. Jeder Strahl verzweigt sich an seinem Ende und symbolisiert die Heilige Dreifaltigkeit. Die leuchtende Wolke der Gegenwart Gottes ist in dem perlmuttfarbenen Hintergrund mit Sternen künstlerisch umgesetzt.
Östlich der Rotunde (33 m Durchmesser) erhebt sich das Katholikon, die Hauptkirche der Griechen. Sie nimmt das Mittelschiff der einstigen Kreuzfahrerkirche ein. Die beeindruckende Ikonostase trennt den Altarraum vom Gemeinderaum. Unter der Kuppel deutet ein marmornes Gefäß auf den seit 629 n. Chr. dort überlieferten Nabel der Welt (Hes 5,5) hin, der in Weltkarten bis in die Neuzeit (zB Mappa Mundi) hinein verzeichnet wurde.
Die Legende vom Adamsgrab steht offenbar mit einer Höhle an der Nordostseite des Golgatha-Felsens in Verbindung, die in der Zeit vor dem Bar-Kochba-Aufstand von Juden. Christen kultisch verehrt wurde. Nach dem jüdischen 4. Esra-Buch wurde die Schöpfung gerichtet als Adam Gottes Gebote übertrat. So wurde nach dem NT durch Christus, den "letzten Adam" (1Kor 15,45) die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, zurückgebracht. Diese Erlösung der durch Adam in Sünde verfallenen Menschheit durch den Kreuzestod Jesu ist in der Anordnung der Adamskapelle direkt unter der Golgatha-Kapelle greifbar gemacht worden. Eine weitere Tradition legt die Schöpfung Adams an diesen Ort und schließlich auch seinen Tod.