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Templer in Haifa

Der Name "Templer" hat nichts mit dem viel älteren, schon 1312 aufgelösten Templerorden zu tun, sondern soll in Anlehnung an neutestamentliche Bibelstellen (Eph 2,21–22; 1 Petr 2,5) zum Ausdruck bringen, dass die Mitglieder der um 1850 in Württemberg entstandenen Gemeinschaft sich als "lebendige Bausteine am geistlichen Tempel Gottes" verstehen. Wesentlich ist die Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit und Pflege christlicher Gemeinschaft. Die Gesellschaft des Tempels entstand vor dem Hintergrund sozio-ökonomischer Probleme im Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die den Glauben an das baldige Kommen des Messias und die Nähe der Erlösung weckten. Von solchen Mißständen aufgerüttelt erwachte in dem Theologen Christoph Hoffmann (1815-85), Sohn des Gründers der Brüdergemeinde Korntal und Mitglied der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848, das dringende Verlangen, eine vorbildhafte Kontrastgesellschaft zu bilden, die wiederum auf die vorfindliche Gesellschaft zurückwirken und diese erneuern sollte.

Haifa Templer InschriftTempler Inschrift über Hauseingang

Eine reale Chance sah er in der Rückkehr zu den ursprünglichen Werten des Christentums und der Sammlung eines neuen "Volkes Gottes", das von einer gerechten Ordnung in der Perspektive messianischer Erlösung geleitet wäre. Sich im Land Gottes zu sammeln und dort dem Messias entgegen zu leben war somit naheliegend. Die Mitglieder der Gemeinschaft würden das Land für das Kommen des Messias vorbereiten und seine Bewohner durch ihr Vorbild in der christlichen Lebensweise anleiten. Hoffmann verband also seine politischen Visionen mit den prophetischen Perspektiven seines pietistischen Erbes.

Bereits in den Anfängen entfernten sich Hoffmann und seine Freunde von der verfassten Kirche und gründeten die "Tempelgesellschaft" mit dem Ziel, den geistlichen Tempel im Land Gottes zu errichten. Grundlegende biblische Glaubensaussagen wurden dabei an den Rand gedrängt bzw. als bloß kirchliche Dogmatik abgetan.

Haifa Templer Inschrift 2Templer Inschrift

Die Gottessohnschaft Jesu und die Dreifaltigkeit, die Erbsünde und die Erlösung durch den Tod Jesu werden gar abgelehnt. Statt dessen pflegen sie eine Vorbild-Christologie: Jesus wird als Lehrmeister, als von Gottes Geist durchdrungener Mensch betrachtet und gilt als nachahmenswertes Vorbild des Gottvertrauens und der Nächstenliebe: "Wer nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit trachtet, findet Erfüllung im Hier und Jetzt."

Wirtschaftliche Impulse

Im Januar 1869 gelang es den deutschen Siedlern Grundstücke in Haifa zu erwerben. Zwischen 1869 und 1907 gründeten die Templer sieben Siedlungen in verschiedenen Landesteilen. Obwohl sie nie mehr als 1700 Mitglieder zählten, spielten die Templer eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung des Landes. Bauwesen, Landwirtschaft, Handel, Industrie, Verkehrswesen, Tourismus und Hotelgewerbe wurden voran gebracht und teils neu eingeführt.

Hardegg gab eine Straße entlang der schon erworbenen Grundstücke in Auftrag, die sich südlich der bisherigen, 1761 von Daher-El-Omar gegründeten Stadt befanden. Diese "Karmelstraße" ist zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden und verläuft geradewegs vom Meer zum Karmelberg. Jakob Schumacher aus Tübingen hatte sie 1869 geplant und gebaut. Damals eine Vision in der Wildnis, ist die heutige Ben-Gurion-Avenue eine der schönsten Straßen Israels.

1870 zählte die Kolonie bereits 14 Häuser und 120 Siedler. Beschäftigten sich die Siedler anfänglich überwiegend mit Landwirtschaft und Weinbau, erkannten sie nach kurzer Zeit die Notwendigkeit, die wirtschaftliche Infrastruktur insgesamt zu entwickeln.
So waren es die in Haifa lebenden Templer, die einen Kutschendienst zwischen Haifa und Akko einrichteten und die Verbindung zwischen Haifa und Nazareth ausbauten, um sie für Kutschen befahrbar machten. Nachdem die Straße 1875 fertig wurde, richteten die Templer einen für sie lukrativen Kutschendienst ein, der Touristen und Pilger nach Nazareth brachte.

Haifa Templer SiedlungTempler Siedlung

Das Karmelhotel wurde als erstes, nach europäischen Verhältnissen modernes Hotel in Haifa errichtet. Das Bild des Landes, in dem vorher das Reisen und der Warentransport nur mit Reit- und Tragtieren oder Booten entlang der Mittelmeerküste möglich waren, wandelte sich. Die Grundstruktur für die Entwicklung einer modernen Wirtschaft war gelegt.

Auch die im späten 19. Jahrhundert einsetzende jüdische Einwanderung konnte auf die Erfahrungen und die Kenntnisse der Templer zurückgreifen, die nicht nur mit Bauarbeiten in Zikron Jaakov und Bat Shlomo beauftragt wurden, sondern auch den jüdischen Siedlern laufend Lebensmittel und Haushaltsgeräte lieferten.

Durch den wachsenden Inlandsmarkt und den Ausbau der Handelsbeziehungen mit Europa und den USA wuchsen Handwerks- und Industriebetriebe sowie Dienstleistungsunternehmen der Templer in ansehnlichem Umfang heran.

Israels neuer Hafen

Doch eine der wichtigsten Entscheidungen der Haifaer Tempelgemeinschaft baute auf die bewusst gewählte geographische Lage des Ortes auf und wurde im Jahre 1872 gefasst. Eine Hafenmole sollte als Verlängerung der Straße in der Templerkolonie gebaut werden. Bis zu diesem Zeitpunkt war Jaffa der einzige Hafen Palästinas. Da große Schiffe, wie Passagierschiffe, nicht in den Hafen von Jaffa einfahren konnten, mussten die Passagiere in kleinen Fischerbooten übergesetzt werden, was nicht selten zu Unglücken in den Klippen führte. Dies änderte sich mit der neuen Hafenanlage, die bis heute die größte und wichtigste in Israel ist. Der neue Hafen kam den Erfordernissen moderner Schiffahrt entgegen.

Karmel Haifa Hafen heuteHaifas Hafen heute

Als Hafenstadt bot Haifa weitere Voraussetzungen: hier lebte in einem angenehmen Mittelmeerklima mit stets leichtem Seewind eine multikulturelle Gesellschaft von Moslems, Juden und Christen in einer wirtschaftlich verzweckten Symbiose. In diesem Klima konnte sich eine moderne Infrastruktur entwickeln, zu der die Templer den die wichtigsten Anstöße und Initiativen beisteuerten. Sie brachten eine neue Professionalität ins Land: Ingenieure, Ärzte, Geodäten, Baufachleute, Kaufleute für den Im- und Export. Eine Reihe von ihnen diente europäischen Regierungen als Vizekonsuln, die Haifa zusätzliches Renomee einbrachten.

Die Katastrophe

In den 1930er Jahren begrüßte man den Nationalsozialislmus als eine politisch-soziale Erneuerungsbewegung, hatte aber aus der Distanz kein klares Bild von seinen Zielen und deren Konsequenzen. Als Patrioten, die indessen nur einen höchst unvollkommenen Einblick in die inneren Zustände Deutschlands besaßen, waren sie von der propagandistisch beschworenen Idee der Volksgemeinschaft fasziniert, kam diese doch ihren eigenen Vorstellungen entgegen. Dass gar die Bildung von NSDAP-Ortsvereinen in den Templersiedlungen für die britische Mandatsregierung eine nicht geringe Provokation darstellte, zumal von Angehörigen der Aggressoren im Zweiten Weltkrieg, sollte zum abrupten Ende der Templerära in Israel führen.

Wirkung der Templer

1868 waren sie, dem Ruf ihres Glaubens folgend, ins Heilige Land gezogen. Sie hatten als erste mit Erfolg Sümpfe trockengelegt und das Land bewohnbar gemacht. Viele Spuren künden noch heute von ihrem segensreichen Wirken. Der wirtschaftliche und infrastrukturelle Grundstein des neuen Israel wurde von einer kleinen Gruppe hoch motivierter und engagierter deutscher Auswanderer gelegt.